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Warum wir für eine sichere und klimaneutrale Stromversorgung keine Atomkraftwerke brauchen.

Eine Renaissance der Atomenergie ist unnötig: Die Erneuerbaren Energien können die Stromversorgung in Deutschland künftig allein schultern. Das Wiederanfahren stillgelegter AKWs lehnen sogar deren Eigentümer ab.

Warum verzichten wir bei der Energiewende auf eine klimaschonende Technologie wie Atomkraftwerke?

Es gibt viele gute Gründe für den dauerhaften Atomausstieg: die ungeklärte Frage nach einem Endlager für den hunderttausende Jahre radioaktiv strahlenden Atommüll zum Beispiel, das Sicherheitsrisiko, die durch den Uranabbau verursachten Umweltschäden oder die immens hohen Kosten, die Bau und Rückbau von Atomkraftwerken verursachen. Dazu kommen die geopolitischen Risiken, die mit der Kernenergie verbunden sind. So beziehen die europäischen AKW-Betreiber den größten Teil ihres benötigten Urans nach wie vor aus Russland.

Jeder dieser Punkte ist für sich genommen Grund genug, auf die Atomenergie zu verzichten. Zumal wir sie für den klimagerechten Umbau des Energiesystems gar nicht brauchen: Die Erneuerbaren Energien können die fossilen Kraftwerke gänzlich ersetzen – und das weit schneller und kostengünstiger als AKWs.

Steigt das Risiko von Stromausfällen, wenn wir beim Aufbau eines klimaneutralen Versorgungssystems auf die Atomenergie verzichten?

Aus mehreren Studien – etwa vom Umweltbundesamt, von der Denkfabrik Agora Energiewende oder von einem Verbund aus Fraunhofer ISI, Consentec, ifeu und TU Berlin – geht hervor, dass sich die deutsche Stromversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umstellen lässt, ohne Abstriche bei der Versorgungssicherheit machen zu müssen. Auch Dunkelflauten sind kein Problem: Die Kombination verschiedener Erneuerbare-Energien-Stromerzeuger, die Speicher, die Flexibilisierung des Stromverbrauchs sowie die Einbindung Deutschlands in den europäischen Strommarkt stellen zusammen sicher, dass die Nachfrage jederzeit gedeckt sein wird. Details dazu lesen Sie in unserem Faktenblatt zu Dunkelflauten.

Auch mit Blick auf die Kosten wäre es töricht, bei der Energiewende auf die Atomkraft zu setzen. Das zeigt ein Blick auf andere Staaten, die derzeit neue AKWs bauen oder dies gerade getan haben. So wird zum Beispiel der englische Atommeiler Hinkley Point C, der frühestens 2031 – und nicht wie ursprünglich geplant 2025 – in Betrieb gehen wird, umgerechnet bis zu 40 Milliarden Euro kosten. Der britische Staat sichert dem Betreiber für den erzeugten Strom deshalb eine garantierte Vergütung von mindestens 15 Cent pro Kilowattstunde zu. Zum Vergleich: Neue Solarparks in Deutschland kommen im Schnitt mit einer garantierten Vergütung von rund fünf Cent pro Kilowattstunde aus, neue Windparks mit sieben Cent.

Hat der deutsche Atomausstieg die Strompreise steigen lassen?

Die letzten drei deutschen AKWs gingen am 15. April 2023 vom Netz. Seitdem sind die Endkunden-Preise auf dem Strommarkt stark gesunken: Mussten Haushalte im April 2023 im Durchschnitt noch knapp 43 Cent pro Kilowattstunde zahlen, sind es heute nur noch gut 35 Cent. Diese Entwicklung geht vor allem auf den starken Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie auf niedrigere Erdgaspreise zurück. Wie Windräder und Solaranlagen die Energieversorgung günstiger machen, lesen Sie in unserem Faktenblatt zu Strompreisen.

Allerdings wäre der Rückgang der Endkundenpreise in den Monaten nach dem Atomausstieg wohl noch ein klein wenig größer ausgefallen, wenn die Anlagen am Netz geblieben wären. So zeigt eine Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, dass die Preise im Großhandel 2023 mit den drei AKWs um ein bis acht Prozent niedriger gewesen wären. Da die Beschaffung des Stroms in diesem Jahr gut 40 Prozent des Preises für Privatkunden ausmachte, entspricht dies einer entgangenen Ersparnis von 0,04 bis 0,3 Cent pro Kilowattstunde. Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 3.000 Kilowattstunden hätte damit 2023 gerade einmal einen einstelligen Eurobetrag gespart. Die Forschenden weisen zudem darauf hin, dass der Weiterbetrieb volkswirtschaftliche Kosten, etwa durch die Entsorgung des zusätzlich anfallenden Atommülls, verursacht hätte, die nicht in dieser Rechnung auftauchen.

Manche Politiker von CDU und CSU haben vor der letzten Bundestagswahl gefordert, die drei 2023 stillgelegten Atomkraftwerke wieder ans Netz zu bringen. Ein sinnvoller Vorschlag?

Nein. Der Rückbau der Anlagen läuft längst, so dass es enorm teuer wäre, sie wieder ans Netz zu bringen. Da die Betriebserlaubnis der AKWs erloschen ist, müssten sie zudem aufwändige, langwierige Genehmigungsverfahren durchlaufen. Und nicht zuletzt fehlt es an qualifiziertem Personal. Denn die meisten der ehemaligen Mitarbeitenden haben sich beruflich umorientiert oder sind in Rente gegangen.

Kein Wunder also, dass sich sogar die Eigentümer der Anlagen klar gegen solche Vorschläge aus der Politik aussprechen. „Die Messe ist gelesen“, brachte es RWE-Chef Markus Krebber auf den Punkt. Auch Eon und EnBW haben nach eigenen Angaben hierzulande mit der Kernenergie abgeschlossen.

So ist es nur folgerichtig, dass die Forderung nach einem Wiederanfahren der Atommeiler in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD keine Mehrheit fand. Gleiches gilt für den Bau neuer Anlagen.

Wie ist es weltweit um den Ausbau der Atomkraft bestellt?

Laut einer Studie der Internationalen Energie-Agentur (IEA) sind weltweit derzeit 63 Nuklearreaktoren mit zusammen gut 70 Gigawatt Leistung im Bau, die Hälfte davon in China. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hält dagegen, dass bis 2040 rund 200 der derzeit 420 AKWs vom Netz gehen werden. Der Anteil der Atomenergie an der globalen Stromerzeugung werde daher sinken.

Auch, weil die Installation von 70 Gigawatt AKW-Leistung geradezu mickrig ausfällt gegenüber dem prognostizierten Photovoltaik- und Windenergie-Zubau. So erwarten Analysten von Bloomberg NEF, dass allein im laufenden Jahr weltweit Photovoltaik-Anlagen mit bis zu 700 Gigawatt ans Netz gehen werden. In den Folgejahren soll die Zahl gar noch höher liegen. Bei der Windenergie rechnet der globale Branchenverband Global Wind Energy Council bis Ende 2028 mit einem Zubau von insgesamt 660 Gigawatt.

Neue Technologien wie Small Modular Reactors sollen der Atomenergie eine Renaissance verschaffen. Sind sie eine Option für die Energiewende?

Die kleinen, modularen Reaktoren sollen sich in Serie fertigen lassen, was die Bauzeiten verkürzen und, bei größeren Stückzahlen, die Kosten reduzieren könnte. Allerdings gibt es bislang trotz jahrzehntelanger Forschung erst einige wenige Pilotanlagen. Bis sie marktreif sind, wird noch lange Zeit vergehen. Für die Energiewende kommen sie daher zu spät. Zumal sie ein Problem mit den herkömmlichen Kernkraftwerken teilen: Sie produzieren große Mengen an radioaktivem Atommüll, für dessen Entsorgung es noch keine Lösung gibt.

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